16 Februar 2008

Was mich an der Emerging Church beunruhigt II - Authentizität vs. Charisma

Dieser Eintrag nimmt Bezug auf den Eintrag Was mich an der Emerging Church beunruhigt I.

Also...., was mein ich mit der Überschrift: Unter Authentizität verstehe ich den Versuch, das wiederzugeben, was man wirklich meint. Das was einem am Herzen liegt, zu sagen und zu tun, ohne Rücksicht auf Konventionen.

Unter Charisma verstehe ich keine soziologische Qualität wie Max Weber, auch nicht unbedingt eine Geistestesgabe, sondern folgendes: Gott ist gnädig (griechisch: "charis" = "Gnade"). Er beschenkt uns mit Dingen, die wir eigentlich nicht verdient haben. Hier geht es also um etwas, woran wir glauben dürfen und sollen und was wir eigentlich nicht (in uns) haben, sondern etwas, das Gott uns von außen schenkt.

Beide Konzepte finde ich toll und wichtig. Die Frage ist nun, wie gewichten wir beide, und spielen wir möglicherweise eines gegen das andere aus?

Ganz ehrlich, in der EC - Conversation habe ich oft den Eindruck, dass Charisma irgendwo in die hinterste Ecke gestellt wird. Da wird wunders was von sozialer Gerechtigkeit geredet, weil das Menschen auf dem Herzen liegt, und ich bin mir sicher, es liegt auch Gott auf dem Herzen. Nun kommt aber keiner auf die Idee, das Gott da was tun könnte, sondern wir sind ja irgendwie Gottes Arme und Hände, also sollen wir was tun. Warum hier nur Authentizität? Warum nicht auch Charisma? Warum nicht beides? Warum nicht auch Gottes Gnade erbeten für soziale Gerechtigkeit am Vormittag und dann am Nachmittag rausgehen und sich sozial engagieren?

Der Gedanke, dass wir gemeinsam Gottes Reich bauen, verunsichert mich als jemanden, der bautechnisch oft an seine Grenzen stößt (sowohl im Baustellen- als auch im aufs Reich Gottes übertragenen Sinn) sehr. Der Gedanke, dass Gott in seiner Gnade etwas bauen will, und wir seine Gnade erfahren dürfen (als Handlanger auf der Baustelle), ist irgendwie angenehmer und hart gesagt wohl realistischer, aber vielleicht auch demütigender, denn ein Wunder kann nur Gott vollbringen, nicht wir.

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7 Kommentare:

Anonymous Anonym hat geschrieben...

Was mir an EC imponiert ist die Ganzheit theologischen und politischen Denkens. Wenn Gott es gut mit uns meint, dann in jedem Bereich. Wenn Gott es gut mit der Welt meint, dann in jedem Bereich. Es nervt mich, wenn in Gemeinden soziales Engagement als Vorreiter für das Evangelium verstanden wird. Nach dem Motto: Wer einen leeren Magen hat, der kann das Evangelium gar nicht hören, wer der Magen so laut knurrt. Nein, das Brot, das ich gebe ist mehr als soziales Engagement, es ist bereits Evangelium. Das Einzige wo die EC aufpassen muss, dass keine Engführung auf den sozialen Bereich geschieht. Menschen brauchen mehr als Brot, sie brauchen Gemeinschaft. Oft sind gemeinschaftliche Aktivitäten aber ähnlich gestrickt wie die sozialen. Gemeinden versuchen gemeinschaftliche Aktivitäten anzubieten, damit sich Menschen unseren Gemeinden niedrigschwellig anschließen können, um dann zum "real stuff", dem Gottesdienst, Erlösung eben dem Christwerden geführt zu werden. Wir hängen oft Formen wie den Gottesdienst höher als zum Beispiel das Fußballspielen, das eine Gemeinde vielleicht am Freitagabend anbietet. Beides ist für mich Reich Gottes. Christliche Gemeinschaft findet in vier Räumen statt:
- public
- social
- personal
- intimate
(das Buch von Joseph R. Myers, The longing to belong, hat mir da viele wertvolle Erkenntnisse gegeben.
Den 2. und 4. Bereich vernachlässigen Gemeinden meiner Meinung nach, wobei gerade der vierte Bereich sehr stark in den Verantwortungbereich jedes einzelnen fällt, wie die aktuelle Willow-Studie Reveal auch zeigt. Ich träume von einer Gemeinde, wo der gemeinsame Brunch am Samstag ebenso als Reich Gottes auf Erden verstanden wird wie die Predigt am Sonntag. Ob das jetzt alles auch theologisch so richtig ist, das überlass ich dann lieber den Theologen zum Urteilen. Ich weiß nur, es würde meiner Lebenswirklichkeit einen guten Schritt näher kommen.

Sonntag, 17. Februar 2008 um 14:39:00 MEZ  
Blogger Benjamin hat geschrieben...

Hi Michael,

is ja geil, dass du (ja, ja, nicht-Theologe... habe da so meine Zweifel...) hier deine Spuren hinterlaesst und ich hoffe, deinen lieben gehts gut. glg!

Kann dir voll beipflichten. Ich denke, es ist ein bissl eine Sache der persoenlichen Verortung und Gemeinde. Die Engfuehrung auf den sozialen Bereich ist halt leider m.E. manchmal sehr real und kommt dann fast ein bissl als Werksgerechtigkeit rueber. Ausgewogenheit ist ziemlich wuenschenswert in dem ganzen. Das Pendel schwingt...

naja, aber wenns dir mal zu wenig sozial zugeht, komm uns mal in wien besuchen. Wir machen prima Bier- und Filmabende bei Seelenstoff;-)

glg

Ben

Dienstag, 19. Februar 2008 um 23:04:00 MEZ  
Anonymous Anonym hat geschrieben...

Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.

Freitag, 22. Februar 2008 um 13:30:00 MEZ  
Blogger Alexandra hat geschrieben...

So, ich glaub ich geb jetzt auch ein bisschen meinen Senf dazu:

@ Ben: Ich find deinen Eintrag super und besonders der Satz „Warum nicht beides? Warum nicht auch Gottes Gnade erbeten für soziale Gerechtigkeit am Vormittag und dann am Nachmittag rausgehen und sich sozial engagieren?“ spricht mir aus der Seele.
Ein Gedanke hierzu: Ich persönlich hab ehrlich gesagt wenig Lust und auch wenig Energie, mich „authentisch“ sozial zu engagieren, wenn ich davor nicht Zeit mit Gott verbracht habe und dadurch irgendwie von ihm geprägt / beeinflusst / mit Liebe gefüllt / berührt etc. worden bin – kurz: mich „charismatisch“ beschenken hab lassen. Insofern gehört für mich Charisma und Authentizität untrennbar zusammen!

Und das bringt mich auch zu deinem Beitrag, Stefan: Wenn ich nicht im Sinne von Bens Charisma von Gott beschenkt worden bin, dann werden wahrscheinlich bei meinem Versuch „authentisch“ zu sein, ganz gruselige Dinge zum Vorschein kommen. Nämlich nicht gnädige, liebevolle, barmherzige, freundliche Dinge (die ich vorher von Gott (!) bekommen hab), sondern das, was in mir selbst drinnen ist. Um hier mal Jesus zu zitieren: „Denn aus dem Inneren, aus dem Herzen der Menschen, kommen all die bösen Gedanken…“ (Für eine entsprechende Liste dieser Gedanken siehe Markus 7,22)
Um den obigen Gedanken also noch einmal etwas zuzuspitzen: Falls ich mich lieb und nett sozial engagieren sollte ohne vorher bei Gott „aufgetankt“ zu haben, dann ist das – zumindest bei mir – auf keinen Fall „authentisch“, da ich dann aus eigener Kraft (!) versuche einen Gutmenschen zu spielen, der ich eigentlich nicht bin. (Und nebenbei bemerkt ist das der erste Schritt in Richtung Burn Out, weil ich „Liebe“ versuche zu geben, die ich gar nicht habe…)

@ Michael: Ich geb dir total Recht, dass Fußball spielen genau so „Reich Gottes“ sein kann wie der Gottesdienst am Sonntag. (Ehrlich gesagt denke ich sogar, dass alles, was ich als Christ tue, „Reich Gottes“ ist, wenn ich’s in Abstimmung mit Gott mache… vom Zimmer aufräumen übers normale Arbeiten hinweg bis hin zum Ausgehen am Samstag Abend.)
Aber ich denke es besteht auch bei dem Ansatz eine gewisse Gefahr – nämlich dass wir als Kirche zu einem sozialen „Kuschel- und Wohlfühlverein“ werden, wo es einzig und allein darum geht, dass wir’s irgendwie nett miteinander haben. Ich war z.B. letzten Monat in Wien in einer sehr sozialen Gemeinde, wo es nach dem Gottesdienst für alle Kaffee und Kuchen gab, am Sonntag ein wohltätiger Flohmarkt stattfindet etc. Und in der Predigt war gezählte drei Mal von Gott die Rede (und da kam er mehr oder weniger nur als Wort vor….). Die restliche Zeit ging es darum, wie wir „bewusster“ leben können dass Wirtschaft und Wissenschaft irgendwie seltsam sind usw…

Kurz gesagt: Mein Traum ist nicht ein sozialer Wohlfühlverein und auch nicht eine abgehobener spiritueller Club für Super-Christen, sondern eine Gemeinschaft voller unvollkommener Menschen, die sich von Jesus Christus prägen und verändern lassen, und wo Gott im Zentrum steht und sich seine Liebe in allen Dingen ausdrückt, welche wir tun – egal ob wir von ihm reden, Fußball spielen oder uns sozial engagieren…

So, das waren einige Gedanken aus dem Land der Berge!
Liebe Grüße,
Alex

PS: Noch eine Frage für dich, Stefan: Du bist ja so ein Fan von „Authentizität“, weil dir (wie mir auch) das scheinheilige Gerede mancher Leute ziemlich auf die Nerven geht. Aber hast du schon mal darüber nachgedachte, dass „Authentizität“ ein zweischneidiges Schwert ist? Was hältst du beispielsweise von einem Mörder, der vollkommen authentisch und im Einklang mit seinen inneren Gefühlen und Gedanken jemanden umbringt…?

Samstag, 23. Februar 2008 um 13:27:00 MEZ  
Blogger Benjamin hat geschrieben...

...........postiquette..............

P. Stefanus, find ich nicht ok, dass es authentisch wäre, über Gott zu sagen, was du oben sagst. Wenn du das über irgendwen anderen sagen würdest, könnte man dich anzeigen dafür. Und da ich Gott sehr mag, finde ich das ziemlich gemein und lösche deinen Eintrag. Nicht weil ich Gott verteidigen will, sondern, weil das außer Gott auch Menschen betrifft, die sich mit Gott verbunden fühlen (Vgl. die kürzliche Aussage einer Grazer FPÖ -Politikerin über Muhammad). Wenn du willst, stell ich ihn "zensiert" wieder rein und fühl dich frei, hier weiterhin deinen Senf abzugeben.

Sonntag, 24. Februar 2008 um 17:38:00 MEZ  
Anonymous Anonym hat geschrieben...

@ben: Ich glaube, hier liegt ein Missverständnis vor. Ich nannte ein Beispiel dafür, was Authenzität für mich ist (und habe in keiner Weise behauptet, dass ich diesen Gedanken unterstütze.) Außerdem war diese Behauptung, die keine war, ja nicht das Thema meines Kommentars, sondern es ging nur um eine Aufzeichnung meiner Gedankengänge, wenn ich den Titel lese. Aber, das möchte ich anmerken, viele Leute, mit denen ich zu tun habe, fühlen sich von Gott ungerecht behandelt und ihr geistliches Leben besteht darin, Gott damit zu konfrontieren, was er in ihrem Leben falsch gemacht hat oder warum das und das passiert ist. Solche Menschen finden in einer Kirche keinen Platz, weil dort nur lieb und nett von Gott geredet werden darf. Ich finde das traurig, weil wo soll man heute noch ehrlich sein und mit Gott ehrlich beschäftigen, wenn nicht in der Kirche?
stellt Pater Stefanus klar.

Mittwoch, 27. Februar 2008 um 13:40:00 MEZ  
Blogger auge hat geschrieben...

Hallo Blogger,
finde ich klasse das es hier eine möglichkeit gibt sich über so interessante themen auszutauschen.

Ich habe mit der Theologie als nicht theologiestudent immer wieder so meine probleme.

grundsätzlich finde ich es toll wenn es menschen gibt, die sich sehr genau mit der bibel und auch dem umfeld befassen. und die erkenntnisse daraus sind auch für mich sehr wertvoll. andererseits habe ich manchmal den eindruck, dass hinter all dem fachwissen etwas von der persönlichen beziehung, von der inspiration von der liebe gottes zu mir/uns verloren geht. sozusagen eine verkopfung eintritt.
auch die vielen fachausdrücke und typisch christlichen redewendungen machen es manchmal schwer zu folgen.
speziell für nochnicht gläubige, interessierte, frischgläubige.

Hier würde es mir sehr gefallen, die Sprache der "Menschen" zu finden. Also den Kompromiss zwischen Flachheit und Fachwissen.

Sodala.
Alles liebe aus O-Heim speziell an Naemi und Patrick.
Auge

Mittwoch, 27. Februar 2008 um 19:42:00 MEZ  

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