11 Juni 2009

Bonhoeffer und die Emerging Church



Ich lern grad für meine Ethik-Diplompüfung Dietrich Bonhoeffers Ethik. Was er darin zur Kirche sagt, ist sehr interessant: Er trennt (1) nicht zwischen sakral und profan, sondern (2) zwischen "natürlich" und "unnatürlich".

Ich probier hier mal zu erklären, wass er mit (1) und (2) meint:

Ad (1): Bei Bonhoeffer ist ganz oben immer Gott: Der teilt sogenannte Mandate aus: Ehe/Familie, Arbeit, Kirche, Obrigkeit. Das bedeutet, dass wir Menschen uns in diesen von Gott eingesetzten Ordnungen bewegen sollen. Es sind jedoch alle von Gott eingesetzt. Alle werden auch begrenzt: Einerseits von Gott, andererseits von den anderen: Die Familie ist dem staatlichen Zugriff vorenthalten, auf der anderen Seite darf der Staat zur Not aber eingreifen (Sonst könnte ja jemand Inzucht oder Kindesmisshandlung treiben). Andererseits begrenzt auch die Familie die Macht des Staates (der darf ihr z.B. keine Familienplanung vorschreiben...).

Ad (2): "Natürlich" ist bei Bonhoeffer das, was auf Jesus Christus ausgerichtet ist, "unnatürlich" ist, was sich vor Christus verschließt. Die menschliche Vernunft kann da jedoch nicht unterscheiden, denn die ist seit dem Sündenfall nicht mehr in Ordnung.

Was heißt das nun konkret für die Kirche: Die Kirche geht nicht im Staat oder in der Gesellschaft auf, sondern sie muss ihr Mandat von Gott wahrnehmen. Das bedeutet erst mal, dass sie einfach Kirche sein kann mit Leuten die das Wort hören, mit solchen, die es verkündigen, mit einem klaren oben und unten. Hier gehts aber weniger um die Autoritätsstruktur an sich, sondern einfach darum, Kirche zu sein. Die Hauptaufgaben dabei sind: verkündigen, dass Gott die Menschen in Jesus annimmt, und Leib Christi sein, der bei Bonhoeffer auf eine bestimmte Art auch die ganze Welt umfasst (da bin ich aber noch nicht ganz durchgestiegen, wie ers meint).

Aber: Es können auch "ethische" Situationen entstehen. Das ist zum Beispiel dann, wenn die Grenzen der Mandate nicht mehr so richtig funktionieren. Hier muss Verantwortung übernommen werden. Die Kirche muss darauf achten, dass sie auf der "natürlichen" - also Christus zugewandten - Seite bleibt und nicht auf die "unnatürliche" rutscht. Bonhoeffer formuliert ganz konkret ein Schuldbekenntnis der Kirche seiner Zeit, das sich an den 10 Geboten orientiert. In jedem einzelnen Gebot hat die Kirche versagt. (Beispielsweise hat sie gegenüber dem Nationalsozialismus ihre Stimme nicht erhoben, wie statt Gott der Mensch angebetet wurde. Auch hat sie zugesehen, wie fundamentale Menschenrechte verletzt wurden, hat sich am Mord mitschuldig gemacht usw...).

In so einer "ethischen" Situation sind nun folgende Dinge notwendig (wenn ich Bonhoeffer richtig verstehe):

1. Buße: Die Kirche kann sich nicht feige herausreden.
2. Stellvertretendes Handeln*: Stellvertretend deswegen, weil auch Jesus Verantwortung übernommen hat, als er am Tod gestorben ist. Handeln bedeutet hier automatisch auch Schuld auf sich nehmen. Die Vernunft kann nicht zwischen "natürlich" und "unnatürlich" unterscheiden. Hier muss einfach mutig im Vertrauen auf Gott gehandelt werden; in dem Bewusstsein, dass man sich vielleicht versündigt, aber auch im Bewusstsein, dass Gott gnädig ist**.

Ich denke, das ist eine interessante Perspektive für die Emerging Church. Ich glaube, dass die nicht vorhandene Trennung zwischen heiligem und unheiligem Bereich hier durchaus eine Gemeinsamkeit bildet. Nicht nur die Kirche ist von Gott eingesetzt und soll sich nach Christus richten, sondern auch die "Obrigkeit" ist ein Mandat Gottes, auch die Familie und die Arbeit.

Meine Meinung: Das könnte zum Beispiel bedeuten, dass wir in allen diesen Bereichen einfach im Bewusstsein leben können, dass das Gottes gute Ordnung ist. Gleichzeitig müssen wir aber als Kirche aufpassen, dass es nicht still wird. Hier kommt ein Gegenüber zwischen Kirche und den anderen Mandaten zum Ausdruck: Wir dürfen nicht schweigend zusehen, wenn die Kultur Mist baut. Wir müssen aber das Gericht Gott überlassen (das meint Bonhoeffer auch). Wir sollen auch unsere Verantwortung wahrnehmen, Jesus Christus zu verkündigen. Allerdings in dem Bewusstsein, dass die Kirche nicht einfach die Insel der Heiligen ist, sondern dass die anderen Mandate auch Gottes Mandate sind***. Ich denk, hier gibts für Emerging Church einerseits eine Bestätigung, andererseits aber auch eine wichtige Denkanregung, wir müssen unsere Verantwortung als Kirche wirklich wahrnehmen nach innen und nach außen.

Mein persönliches Zwischenergebnis:
(1) Fröhlich die coolen göttlichen Mandate leben,
darunter fällt (2) Kirche sein und Jesus verkündigen,
(3) Wenn nötig aber auch wirklich stellvertretend handeln (und global gesehen ist da auf jedenfall einiges nötig!)

Wie ihr merkt, ist hier noch viel zu denken drin, aber jetzt hör ich mal auf, sonst wirds viel zu lang....

* Bonhoeffer sah sich selbst in seiner Rolle in den Hitlerattentaten als schuldig an. Er sah sich als schuldig, in dem Fall an der Obrigkeit.
** Dies bedeutet bei Bonhoeffer jedoch nicht, dass die Mandate Kirche und Staat eins sind. Er meinte dazu, dass dabei die Kirche automatisch ihre Bedeutung verlieren würde (als Beispiel nimmt er damalige US-amerikanische Verhältnisse). Luthers Lehre von den zwei Reichen (Gottes Regiment, weltliches Regiment) deutet er nicht als Trennung, sondern als untrennbares Miteinander.
*** Das heißt aber nicht, dass irgendwie alle in den Himmel kommen, wenn sie nur ihr Mandat richtig erfüllen. Darum gings Bonhoeffer unter Garantie nicht, sondern eher darum, dass Kirche Kirche sein soll und Familie Familie sein soll usw.

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07 März 2009

Neue Wege auf altem Grund: Dave Tomlinson I

Dave Tomlinson beantwortete zuerst ein paar Fragen von Siegfried Kröpfel und ging dann zu seinem Vortrag über sich wandelnde Kirche über.

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02 Jänner 2009

Wer macht die Emerging Church?

Ich stell mir manchmal diese Frage, wie nämlich Emerging Church bei verschiedenen Leuten ankommt. Leider gibt es in unseren Breitengraden (so denk ich mal) die Emerging Church als Denkweise im Moment nur als Versuch von Adaptionen aus anderen kulturellen Kontexten. Also: Wir in Österreich oder Deutschland lesen die Bücher von den Leuten aus Amiland, Australien oder Engelland und stellen uns danach die Frage, was bedeutet DAS für uns?

Das Auffällige daran ist (wieder so eine Unterstellung von meiner Seite), dass wir so ähnlich gestrickt sind wie die Autoren dieser Bücher. Also meistens Leute aus einer theologisch konservativ-evangelikalen Ecke, die mit Gemeinde und Glauben in ihrem Umfeld relativ unzufrieden sind und nach Alternativen für ihre Kultur suchen. Hier liegt nun ein Hund begraben, möchte ich meinen: Die konservativ-evangelikale "Ecke" ist in den USA riesig, in UK immer noch ziemlich groß, bei uns aber ziemlich winzig.

Die Amerikaner und Briten im Emerging Church Circus reagieren auf ihren Kontext und treffen dabei erwartungsgemäß auf ein sehr lautes Echo: Ihre "Ecke" ist ja auch sehr groß.

Bei uns ist das anders: Ich denke, wenn wir auf eine winzige Ecke reagieren, ist das vergeudete Energie: sprich, wenn wir einfach versuchen, es anders zu machen als unsere konservativ-evangelikale Ecke, ist das nicht wirklich eine Revolution. Das machen eh schon alle anderen, da sind wir nicht die einzigen.

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22 August 2008

Suppe, Seife, Seelenheil

Bin grad beim Kirchengeschichte - Lernen- 19. Jahrhundert. Sehr spannend das. Zeitweise hat man das Gefühl wir sind direkt in der Emerging Church - Diskussion. Die Sprache ist deutlich ähnlich: Der Kampf gegen die soziale Ungerechtigkeit. Das große Schlagwort bei den Jungs aus der Erweckungsbewegung war das Reich Gottes. Ganzheitlichkeit: Glaube und Liebe gehören zusammen. Und sie haben etwas erreicht. Leute wie Wichern, Bodelschwingh etc. Da wurde wirklich vielen Menschen praktisch geholfen, aber immer in Verbindung damit, dass man sie zu Jesus bringen wollte. Plötzlich wurden Epilektiker versorgt, Alte gepflegt, verelendete Kinder bekamen Heimplätze. Das muss sehr beeindruckend gewesen sein, vor Allem weil dadurch die Kirche in der Bevölkerung hoch geschätzt wurde. Diese "Innere Mission" bewirkte (unter anderen Faktoren), dass die Menschen, wenn auch säkularisiert, eben nicht aus der Kirche austraten, weil sie die Kraft sehen konnten, die in den christlichen Vereinen steckte. Die Unterschiede zu manchen Zweigen der Emerging Church - Konversation sind jedoch auch klar: Man wollte beispielsweise Menschen aus dem "Reich der Sünde" in das "Reich Gottes" holen. Von Inklusivismus hielt man in diesen Kreisen nicht sehr viel. Es gab ein klares In und Out. Brauchen wir das heute auch, um wirklich erfolgreich soziale Veränderungen zu sehen?

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24 April 2008

jesuskulturschock

ich frage mich: Was würde Jesus heute in Wien machen? Würde er nach einer durchtanzten Nacht im Flex mit einem Dealer brunchen gehen? Würde er am Opernball Dämonen austreiben? Wo würde er Tische umschmeißen? Würde er Sonntags ausschlafen oder in einen Gottesdienst gehen? Und was würden wir Christen dann tun, wenn wir wüssten, was er tun würde? Und warum tun wir so wenig von den Sachen, die Jesus getan hat? Also mit den Verhassten abhängen, irgendwelche Kranke heilen, irgendwo Tische umschmeißen und mal ne Nacht in die Wüste (wo ist die in Wien?) zum Vater gehen...

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04 Oktober 2007

Emerging Church / Kingdom of God

Siegi Kröpfel untersucht im Moment die Einflüsse der Reich Gottes - Theologie auf die Emerging Church. Im Rahmen eines Wochenendes für PfarrerInnen und TheologInnen präsentiert er einen Überblick über Emerging Church und Reich Gottes - Theologie.

Episode I



Episode II



Episode III

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30 Juni 2007

Mystik


Wir wären gerne Kirche, die tut, was Gott tut. Kirche, die so anziehend ist, dass andere Menschen kommen und staunen und von Gott verändert werden. Soweit das Ziel. Was ist der Weg?

Jesus sagt: "Der Sohn kann nichts von sich aus tun, sondern nur, was er den Vater tun sieht; denn was dieser tut, das tut gleicherweise auch der Sohn."*

Jesus hat sich viel Zeit zum Sehen genommen. Manchmal hat er dazu eine Gebetsnacht eingeschoben, wenn die anderen geschlafen haben. Manchmal auch direkt nach seinen besten Aktionen. Anstatt sich feiern zu lassen, läuft er irgendwo in die Wüste oder übern See, um mit seinem Vater zu reden. Das muss ihm wirklich was wert gewesen sein.

Mein Gebet und Wunsch ist, dass wir als Kirche einzeln und in der Gemeinschaft ganz viele Zeiten mit Gott haben, in denen wir sehen, was der Vater tut. Mein Traum ist, dass wir dadurch verändert werden und tun, was wir Gott tun sehen und dass viele Menschen kommen und staunen und von Gott verändert werden.

*Joh 5,19

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